1806 Die Franzosen in Kurtschlag

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Am Franzosenloch

Eigentlich wollte ich mir nur das Franzosenloch ansehen, auf das mich Kurtschläger aufmerksam gemacht hatten. Da ich wusste, wo es liegt, habe ich es schnell gefunden. 

Aber dann gab es da noch mehr zu sehen, wovon ich nichts gewusst hatte: einen Gedenkstein, eine Schautafel sowie eine Bank, auf der Vorbeikommende Platz nehmen und den Geist des Ortes auf sich wirken lassen können.

Dass ich mich auf dem "Historienwanderweg 1806" befinde, erfahre ich auf der Tafel, einem Fahrradwanderweg, der von den Schlachtfeldern von Jena und Auerstedt bis nach Löcknitz in der Nähe von Stettin führt. Doch das ist längst nicht alles, was auf der Tafel zu lesen ist, dort gibt es noch sehr viel mehr. Im Mittelpunkt steht ein Reitergefecht bei Zehdenick am 26. Oktober 1806. Minutiös wird der Ablauf der Kämpfe aufgelistet. Zum Beispiel, dass sich gegen 14.30 Uhr an diesem Tag die preußischen Königin-Dragoner 


und das 2. Bataillon der Schimmelpfennig-Husaren am Judenfriedhof von Zehdenick gesammelt hatten, dass sie dort von französischen Truppen "überflügelt" wurden und sich daraufhin fluchtartig in den Wald Richtung Storkow zurückzogen. Also genau dorthin, wo der oben auf dieser Seite abgebildete Gedenkstein für zwei preußische Dragoner errichtet wurde. Was weiter geschah, kann man auf der Tafel nachlesen: 

"Blutiges Gefecht an der schmalen Waldbrücke Timmsbrück. Bei den Preußen viele Tote, Verwundete und Gefangene. Verlust einer Standarte. Flucht Richtung Storkow. - Bei dem schmalen Waldweg in Richtung zu dem Dorf Storkow, den die Husaren bereits verstopft hatten, wurden die Dragoner zusammengedrängt und gerieten in sumpfiges Gelände. Dabei wurden viele blessiert und gefangen. Besonders schlimm war es an einer kleinen hölzernen Waldbrücke 'Timms Brücke', die um 1900 abgebrochen wurde. Diese Stelle war besonders eng, und das Gemenge war hier besonders heftig. Hier wurde auch Oberst Zieten verwundet, konnte aber durch Einsatz seiner Leute entkommen. Oberst von Schäffer vom 2. Bataillon der Königin-Dragoner befahl Premier-Leutnant von Streng, mit seinem Zug die Nachhut zu bilden, um die anreitenden Franzosen aufzuhalten, aber auch dieser wurde mit seinen Mannen vom Pferd gehauen. Auch verlor hier die Eskadron von Seehorst der Königin-Dragoner ihre Standarte an die Franzosen. - Die Königin Dragoner verloren bei dem Gefecht bei Zehdenick nach eigenen Angaben 14 Offiziere durch Gefangennahme, von denen 4 verwundet wurden. Es waren Oberst von Seelhorst, Major von Forestier, Major von Borcke, Kapitän von Brockhusen, Stabskapitän von Colmar, Stabskapitän von Blankensee, Premier-Leutnant von Streng, Premier-Leutnant von Taubenheim, Leutnant von Bülow I, Leutnant von Barner, Leutnant von Behr, Leutnant von Bothe, Leutnant von Oyenhausen sowie Fähnrich von Heinze und etwa 250 Mann tot oder gefangen und 250 Pferde. - Der Verlust der Schimmelpfennig-Husaren betrug ungefähr 300 Mann tot oder gefangen und 300 Pferde. - Hier im Boden ruhen die damals Gefallenen. Seit 2019 steht das Gefechtsfeld unter Bodendenkmalschutz."

Und das alles ereignete sich ganz in unserer Nähe - an einem Ort, an dem wir mit unserem Auto täglich oder auch nur gelegentlich vorbeikommen, wenn wir nach Zehdenick zum Einkaufen fahren. Vorstehend haben wir Fotos von der Tafel eingestellt, aber natürlich ist eine Abbildung etwas ganz anderes, als die Tafel live zu sehen. Falls Ihr also noch ein Ziel für den Osterspaziergang sucht - hier habt ihr eins. Die Tafel befindet sich direkt hinter dem Franzosenloch, von der L 215 aus gesehen. Und wer jetzt neugierig geworden ist und mehr wissen will von dem, was sich damals unweit von Kurtschlag ereignete, dem sei abschließend noch die Broschüre "Das Reitergefecht bei Zehdenick und das Gefecht bei Liebenwalde am 26.10.1806" empfohlen. Zu beziehen ist sie über: info@historienwanderer.de   (Manfred Lentz)


Nun ist also auch Kappe in die Geschichte involviert. Birgit Halle hat uns Folgendes geschrieben: "Hallo, ich habe gerade die Kurtschläger Napoleongeschichte gelesen. Das ist mal was zum Schmunzeln, und vielleicht gibt es schon viele Schatzsucher, wo es doch heutzutage tolle Hilfsmittel gibt. Zu dem Thema möchte ich nur eine kleine, für Kurtschlag wohl eher unwichtige Bemerkung machen. An Kappe ist Napoleon auf dem Weg zu euch vorbeimarschiert, sagt man. Die Capper hatten Hähne und Hunde geschlachtet oder zumindest gut weggesperrt, um nicht gehört zu werden. Von keifenden Weibsbildern und gröhlenden Mannsbildern wurde nichts erwähnt." 


Zwei Tage sind vergangen seit meiner letzten Notiz, und heute bekomme ich auf einmal Post von Sandra. Beim Vorbeifahren an dem "Franzosenloch" habe sie einen Stopp gemacht, schreibt sie, und dabei habe sie zwei Fotos aufgenommen von einem auffälligen Baum, einer verkrüppelten und teilweise gespaltenen Buche, die so alt sei, dass sie vielleicht schon Napoleons Truppen gesehen habe. Was zweifellos als Scherz gemeint ist, aber nichtsdestoweniger frage ich mich, warum Sandra dort angehalten hat. Um einen markanten Baum zu suchen? Oder vielleicht eher Ausschau nach einer Kiste zu halten, vielleicht einer aus Metall und mit vielen Schlössern gesichert und womöglich mit einer französischen Inschrift darauf, die übersetzt so ähnlich lauten könnte wie "Kriegskasse"? Ob sie fündig geworden ist, hat Sandra nicht geschrieben, aber vielleicht bewahrt sie ja ein Geheimnis. Womöglich stehen wir am Anfang einer aufsehenerregenden Entdeckung! Auch an Troja hat bekanntlich zunächst niemand geglaubt, bis Schliemann es eines Tages ausgegraben hat. Und nun also Napoleons Kriegskasse? Die Fährte ist jedenfalls gelegt, ich bin gespannt, was als Nächstes kommt. Ob die Geschichte vom Kurtschläger Napoleon womöglich noch weitere Ergänzungen finden wird. An dieser Stelle jedenfalls schon mal die Bilder von Sandras merkwürdigem Baum:

 



Und eine weitere Ergänzung, die auf eine Erinnerung von Siegfried Plath zurückgeht: Das sumpfige Gelände vor der B 109 ist ihm - und sicherlich auch noch anderen Kurtschlägern, wie ich annehme: vor allem älteren - als "Franzosenloch"  bekannt. Häufig haben solche überlieferten Namen einen wahren Kern, der in diesem Fall vermutlich in der Tatsache liegen dürfte, dass sich einst französische Truppen in unserer Gegend aufhielten. Dass sie bei dieser Gelegenheit ihre Kriegskasse zurückgelassen und in dem sumpfigen Gelände versenkt haben, dürfte allerdings wohl eher auf das Wunschdenken der Bewohner der umliegenden Dörfer zurückzuführen sein. Oder?! 


An dieser Stelle noch eine Ergänzung, auf die mich Axel Kulicke aufmerksam gemacht hat. (Vielen Dank!) Seit Generationen erzähle man sich, so schreibt er, dass Napoleon nahe Kurtschlag der Wagen mit seiner Kriegskasse abhanden gekommen sei. Wo das geschehen sein soll, erzähle man sich auch, und ich zitiere wörtlich aus Axels Mail: "Folgt man der L215 in Richtung Zehdenick, etwa 500 Meter vor der B109 (Zehdenick-Templin) befindet sich auf der linken Seite ein sumpfiges Gelände, in dem der Schatz versunken sein soll. Meines Wissens hat sich noch niemand darum bemüht, die Geschichte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Vielleicht kennst Du ja diese Geschichte auch schon oder weißt womöglich mehr als ich und willst es nur nicht verraten?!" Nein, lieber Axel, ich kannte die Geschichte noch nicht, und ich weiß auch nicht mehr. Aber ein interessanter Tipp ist es auf jeden Fall. Das wäre dann die nächste BILD-Überschrift in dieser Sache: "Kurtschläger finden Napoleon-Schatz!" Und im weiteren Text würde es heißen: "Wie wir von der örtlichen Webseite kurtschlag.de erfahren haben ..."


Napoleon in Kurtschlag

Da ist mir doch kürzlich eine BILD-Zeitung in die Hände gefallen (Datum: 21. November 2017), auf die ich bisher nicht aufmerksam geworden war. Was für eine sensationelle Meldung auf der Titelseite: "Napoleon war in Kurtschlag"! Wie die Zeitung auf ihren Innenseiten berichtet, ereignete sich das im Jahr 1806. Nach der schweren Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober dieses Jahres brach die preußische Armee zusammen, und Napoleon marschierte auf Berlin zu, wohl wissend, dass König Friedrich Wilhelm III. versuchen würde, ihm den Weg zu versperren. Erfolglos, wie man weiß, denn am 27. Oktober zog Napoleon mit seinen Truppen in Berlin ein, wo ihm eine Bürgerdeputation vor dem Brandenburger Tor die Schlüssel der Stadt überreichte. (Nur am Rande sei erwähnt, dass Napoleon bei dieser Gelegenheit die Quadriga vom Brandenburger Tor als Siegestrophäe nach Paris hat abtransportieren lassen. Ganze acht Jahre lang stand das Tor also oben ohne da. Erst nach Frankreichs Niederlage wurde die Figurengruppe in Paris entdeckt, anschließend reiste sie drei Monate lang zurück nach Berlin.) Anlässlich dieses Marsches auf Berlin, so hat BILD erfahren, sei Napoleon mit seinen Truppen auch durch ein kleines Dorf in der Schorfheide gekommen, und ob man es glaubt oder nicht - dieses kleine Dorf war Kurtschlag. Ein Foto gibt es natürlich nicht, aber wie die Situation damals ausgesehen haben könnte, habe ich auf folgendem Bild zu rekonstruieren versucht:

Nach seinem Einmarsch in Kurtschlag soll Napoleon anschließend sogar noch zusammen mit einigen höheren Offizieren in dem dortigen  Gasthof gespeist haben. Oder richtiger: einen Imbiss genommen haben, denn er war in Eile, schließlich hatte er in Berlin noch etwas zu erledigen. Weshalb es damals nur eine Zwiebelsuppe gab, schreibt BILD.

 

Und was schreibe ich? Dass das alles natürlich Blödsinn ist, den ich mir ausgedacht habe, weil das Leben in Corona-Zeiten so öde ist und ich an meinem Schreibtisch auf die unsinnigsten Gedanken komme. Allerdings hat die Geschichte einen wahren Kern. Nicht Napoleon war in Kurtschlag, jedenfalls ist in dieser Hinsicht nichts überliefert, vielleicht aber ein anderer Franzose oder auch mehrere bzw. sogar sehr viele, denn dass französische Soldaten in diesem Jahr in unserer Gegend unterwegs waren, ist authentisch. Es gibt sogar eine Gedenktafel und einen Gedenkstein, die auf dieses Ereignis aufmerksam machen. Man findet sie rechts der L215 in Richtung Steinfeld. Was geschehen ist, kann man auf der Tafel nachlesen, auf der die französischen Truppen erwähnt werden, allerdings nicht Napoleon. Aber wer weiß - vielleicht war er ja doch bei seinen Truppen. Und vielleicht hat er tatsächlich eine Pause in Kurtschlag eingelegt, immerhin gab es unser Dorf damals ja schon seit 57 Jahren. Und vielleicht existierte sogar schon ein kleiner Gasthof, oder die Frau des Dorfschulzen hat ihm etwas zu essen vorgesetzt. Womöglich sogar eine Zwiebelsuppe. Man sieht: Es gibt also noch genug offene Fragen, die der Klärung harren. Auf jeden Fall macht sich die fiktive Überschrift in der BILD-Zeitung recht gut. Napoleon war in Kurtschlag - das hat doch was!   (Manfred Lentz)