Das Teerofen-Haus

von Manfred Lentz

Hand aufs Herz: Wer weiß, was ein Teerofen ist? Das Wort haben die meisten wohl schon mal gehört, es stammt zwar aus früheren Zeiten, aber es kommt auch heute noch in Namen von Ortsteilen und Siedlungen vor (z.B. "Albrechts Teerofen" bei Berlin). Bei einem Teerofen handelt es sich um eine Anlage mit einem doppelwandigen Kuppelofen, in dem durch das Verschwelen von harzhaltigem Holz Teer und Holzessig (eine wässrige Flüssigkeit) gewonnen werden und Holzkohle zurückbleibt. Dieser Prozess dauert mehrere Tage und verlangt neben Sachkenntnis allerhöchste Aufmerksamkeit, denn bekäme der Ofen zu viel Luft, würde das Holz anstatt zu schwelen verbrennen, und die ganze bis dahin aufgewendete Arbeit wäre umsonst gewesen. Die Männer, die dieses Gewerbe einst betrieben, 

waren die Köhler. Von ihren Zeitgenossen wurden sie oft als "Waldmenschen" bezeichnet, da sie monatelang im Wald lebten, wo sie das kienhaltige Holz für ihre Öfen fanden. Teeröfen existierten vor allem im Mittelalter in großer Zahl, doch gab es sie selbst noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ihre Produkte - das "schwarze Gold des Waldes"- fanden in vielen Bereichen Verwendung, so etwa das dünnflüssige Kiefernöl in der Farbenherstellung, der dickflüssige Teer als Schmierstoff für die Achsen von Holzwagen und zum Abdichten von Schiffsplanken, Holzessig als Insektizid sowie als Arzneimittel in der Veterinärmedizin, und ohne Holzkohle hätte es in früheren Zeiten nicht Eisen und Stahl gegeben - und gäbe es in unserer Zeit keine zünftig gegrillte Wurst.


Und warum erzähle ich das alles? Von ihrer Großtante Margot Plath aus Zehdenick hat Christina (geborene Plath) ein Foto bekommen, auf dem ein Mann auf einem Teerofen sitzt. Fritz Plath hieß der Mann, er war der Vater von Margot und zum Zeitpunkt des Fotos der Besitzer des Teerofens. Ursprünglich hatte dieser den "Deutschen Terpentinöl-Werken Berlin"gehört, im Jahr 1928 haben sie ihn für 300 Reichsmark an Fritz Plath verkauft. "Wir", so hieß es in der Vereinbarung, "übertragen Ihnen den Abbruch unserer in Döllnkrug gelegenen Trockendestillationsanlage sowie die Wiederherstellung des Geländes. Die Kosten des Abbruchs haben Sie selbst zu tragen." Ob dieses Geschäft für Fritz Plath ein Schnäppchen war, wissen wir nicht, auf jeden Fall hatte er ein Motiv, warum er sich darauf einließ: Ihm ging es um das Material, aus dem der Teerofen bestand. In mühsamer Arbeit trug er die Anlage ab, befreite die Steine von Mörtelresten (eine Tätigkeit, bei der ihm u.a. seine Tochter Margot zur Hand ging und an die sie sich noch heute erinnert) und baute aus  


ihnen einen Stall sowie jenes Haus, das man von Zehdenick kommend in Kurtschlag als erstes erreicht und in dem inzwischen sein Neffe Siegfried Plath mit seiner Ehefrau Erna lebt. Dass Teile der Mauern einst ein Teerofen waren, sieht man dem Haus natürlich nicht an. Man erfährt es nur über das Foto, das vor 90 Jahren ein unbekannter Fotograf aufgenommen und das uns Christinas Großtante Margot freundlicherweise zugänglich gemacht hat. Wofür wir danke sagen, liebe Frau Plath!